Gestern hat eine Referendarin ihre Prüfungsstunden sowie das Kolloquium absolviert. Eine solche Prüfung umfasst jedoch nicht nur diesen inhaltlichen Stress, sondern es gibt auch noch allerhand Nebenkriegsschauplätze. Für die Kommission müssen beispielsweise Brötchen geschmiert und Kaffee gekocht werden, wobei es Tradition ist, dass dies von Mitrefendaren organisiert wird. Ältere Kollegen kannten diese „Goldene Regel“ nicht, die Tradition muss also irgendwann in den letzten Jahren aufgekommen sein. Viele Referendare sorgen auch schon richtig vor und bieten bei jedem Unterrichtsbesuch ein kleines Buffet an: Brötchen, Muffins, Kaffee und Tee. Von den Ausbildern wird das allerdings gar nicht so gefordert („Essen Sie ruhig die Kekse, ich muss ja reden!“), bei dem beträchtlichen Gehaltsunterschied zwischen Seminarleiter und Referendar wäre dies auch ein wenig anmaßend.
Was ist sonst noch nach den Herbstferien passiert? Ich habe einen mäßigen Unterrichtsbesuch hinter mich gebracht, wobei die Nachbesprechung (wie auch bei den vorangehenden!) sehr konstruktiv war. So wurde uns deutlich, dass ich eine Aufgabe der Erarbeitungsphase sehr gut als Einstieg hätte nutzen können und somit insbesondere zeitliche Schwierigkeiten vermieden hätte. Die erste Klausur in Italienisch lief ziemlich geschmeidig, es gab auch keine bohrenden Rückfragen bei der Rückgabe. Generell: Meine Klassen und ich haben uns eingespielt, ich kann mich im Unterricht zunehmend zurücknehmen, ohne dass dadurch die Ergebnisse leiden.
Jetzt will ich mir etwas überlegen, was die stumpfsinnigen Vokabeltests ablöst. Im Seminar haben wir nette Ideen bekommen, vermutlich lasse ich freie Texte schreiben, bei denen eine bestimmte Anzahl neuer Vokabeln eingebaut werden muss. Und für die gewonnene Zeit in der Schule bieten sich wohl Spiele an, am besten mit Wettbewerbscharakter.
Monat: Oktober 2012
Die Angst des Referendars vor der Klausur
Studienreferendarin schreibt vom beunruhigend guten Durchschnitt ihrer ersten Klassenarbeit. Ich sitze momentan an einem ähnlichen Problem, da kommende Woche meine Italienisch-Klasse an der Reihe ist: Ein zu guter oder schlechter Schnitt ist per se eine Konsequenz miesen Unterrichts oder einer miserablen Konzeption der Klausur. Und selbst in dem Fall, dass sich die Noten nach Gauss verteilen, bleibt ein fader Beigeschmack. Habe ich die Klausur so konzipiert, dass die Schüler genau in diesen Feldern landen werden? Es gibt ja auch Referendare, die die Punkte erst nach der Durchsicht einiger Klausuren gebührend verteilen.
Die Unsicherheit ist also immer da und verliert sich womöglich nur mit zunehmender Berufserfahrung. Dann werde ich auch sagen können, dass ich voriges Jahr die gleiche Klausur geschrieben habe und die Ergebnisse davon besser waren. Jetzt fehlt dieser Vergleich, aber das ist typisches Referendarsleid, wer keinen Mut zum Experimentieren hat und nicht mit den darauf entstehenden Frustrationen leben kann, wird nicht glücklich werden. Für die Klausur habe ich mich dahingehend abgesichert, dass ich a) die Klausur an Kollegen verschickt habe und b) die Schüler eine Probeversion schreiben konnten und ich per E-Mail Rückmeldung gab (die Kommentar-Funkton von Word ist dafür ganz brauchbar). Ein Drittel des Kurses nahm dieses Angebot an, vor allem Schüler aus dem „Mittelfeld“, die ganz schlechten sind gerade in der neu einsetzenden Fremdsprache wohl oft auch die faulen Schüler, die selbst solche Angebote in den Wind schlagen.
Finger hoch
Ein schönes Beispiel, dass viele Referendare von ständiger Panik durchdrungen sind, besteht in der Verteilung der mündlichen Noten. Einige Jungkollegen meiner Schule schreiben nach jeder Stunde akribisch auf, wer sich wann gemeldet hat. Die Qualität des Beitrages wird natürlich ebenfalls bemessen, von Reproduktion bis Transfer. Keine Frage, eine gewisse Objektivität bei der Verteilung der mündlichen Noten soll natürlich gegeben sein, aber hier scheinen doch einige Referendare über das Ziel hinauszuschießen. Ich aktualisiere einmal pro Woche meine Aufzeichnungen und dies erscheint mir gelegentlich relativ nichtssagend, wenn in einer Klasse bei jeder zweiten Frage 15 Finger hochgehen. Soll ich dann denjenigen bestrafen, der von mir mal schlichtweg übersehen wird, weil er im toten Winkel des Klassenzimmers sitzt?
Vor den Ferien habe ich mit jedem einzelnen Schüler meiner Kurse ganz kurz über die „Sonstige Mitarbeit“ geredet. Meine Äußerungen wiederholten sich an einigen Stellen, trotzdem wollte kein Schüler minutiös in Erfahrung bringen, wie sich seine Note zusammensetzt. Ich hatte übrigens nicht erwartet, dass die Schüler die Selbstevaluation ihrer SoMi-Note eher als Farce denn als Mitbestimmung ansehen. Vielleicht spielt hier auch ein wenig Angst mit, sich mit der Selbsteinschätzung bei der Lehrkraft vollkommen lächerlich zu machen.
Knochenmühle
Auf Edition Flint wird mit dem Referendariat abgerechnet. Viele Punkte kommen mir bekannt vor und stören mich ebenfalls. Die dominante Rolle der Fachseminarleiter wird zu Recht kritisiert. Jedoch sollte ihnen nicht ausschließlich „der Schwarze Peter“ zugeschoben werden (macht Flint auch nicht, aber der Eindruck entsteht ein wenig). Die Kritik der Seminarleiter nach den Unterrichtsbesuchen wirkt gewiss erschlagend, aber bisher hat sie bei mir eine positive Wirkung erzielt. Eine Fachseminarleiterin sagte beispielsweise, dass ich den Schülern mehr zutrauen solle und weniger lenken sollte. Das stimmt schlichtweg und muss geändert werden, nicht nur im Hinblick auf das Examen. Wer im normalen Schulbetrieb traut sich schon, ein solches Feedback zu geben?
Im Seminar werden hohe Standards vorgegeben, aber meines Erachtens nicht um die Referendare einzuschüchtern, sondern um die Maßgabe guten Unterrichts vorzugeben. Die Probleme, die bei der Umsetzung auftreten, sind meinen Fachseminarleitern wohl bekannt und werden geduldig besprochen. Insofern finde ich Hinweise von alteingesessenen Lehrkräften, dass „man nach dem Referendariat machen könne, was man will, aber jetzt Unterricht nach Seminarstandard zeigen solle“ reichlich dumpf und wenig hilfreich. Diese Leute begreifen das Referendariat nicht als Ausbildungsphase, sondern als reine Knochenmühle. Dementsprechend sieht häufig deren Unterricht aus, einfallslos und dröge, aber aufgrund der langjährigen Erfahrung natürlich über jeden didaktischen Zweifel erhaben.
Die Politik hat übrigens auch ihren Anteil an dem schärfer werdenden Unterton: Durch die Verkürzung des Referendariats müssen Problemfelder der Referendare leider relativ schnell und direkt angesprochen werden, ein langes Abtasten ist nicht mehr möglich. Das soll natürlich nicht die Knalltüten unter den Seminarleitern entschuldigen, die eine Stunde lang eine Referendarin ihre Mängel aufschreiben lassen, aber keine Alternativen aufzeigen.
Mit dem letzten Tropfen Sprit
Ein Großteil der Referendare meiner Schule hat ihren zweiten Unterrichtsbesuch hinter sich und für viele war es eine enorme Ernüchterung. Einstündige Brandreden gehörten anscheinend zum Standardprogramm der Ausbilder, insofern ist die Moral der Truppe momentan am Boden. Überflieger gibt es natürlich auch, ich gehöre nicht dazu, glaube ich zumindest. Das größte Problem von „uns Referendaren“ ist vermutlich gar nicht so sehr die plötzlich einsetzende hohe Arbeitsbelastung, sondern eher das Abschütteln von Gedanken, die sich um das Thema „Schule“ drehen: Was muss ich noch für den Grundkurs vorbereiten? Wie gestalte ich die Klausur im November? Wieso kriegen meine Schüler keine vernünftige Interpretation auf die Reihe? Wie ist es zu verhindern, dass 20 % prinzipiell keine Hausaufgaben macht? Das saugt und führt dazu, dass die Ferien wie eine Oase der Glückseligkeit und Gedankenlosigkeit herbeigesehnt werden.
Gestern noch ein interessantes Gespräch mit einer frischgebackenen Lehrerin über das Thema „Fortbildung“ gehabt: Sie meinte, dass zwar eine Unmenge zu Mobbing und Binnendifferenzierung angeboten wird, aber auf inhaltlicher Ebene relativ wenig passiert. Sie bemängelte das für die Biologie und ich kann das insofern bestätigen, dass ich für Italienisch bisher noch nirgends präzis ausgerichtete Fortbildungsangebote gesehen habe. Oder ich bin schlichtweg mies informiert, kann natürlich auch sehr wohl sein.
Errori
Viel Zeit und Lust zum Schreiben hatte ich in den letzten Wochen nicht. Die Arbeitsbelastung ist trotz des generellen Spaßfaktors doch erheblich angewachsen, da ich neben meinem eigenen Kursen noch in zwei anderen Kursen aktiv bin, so einige methodische Dinge ausprobieren kann und auch doppeltes Feedback bekomme (von der Schülerschaft & vom Ausbildungslehrer):
- Letzte Woche war ich überrascht, wie gut die Schüler mit der Strukturlegetechnik das Kantische Handlungsmodell systematisiert haben. Ich konnte mich in Ruhe an die Seite setzen und innerhalb des Kurses wurde mit Hilfe des zerschnittenen Arbeitsblattes eifrig über Neigungen und Pflicht diskutiert.
- Einige Schüler in meinem Philosophie-Kurs müssen Anfang Dezember eine Klausur zur „Einführung in die Philosophie“ schreiben. Für die Texterschließung gehen wir gerade das fünfschrittige PLATO-Modell (leider gibt es dafür online keine brauchbaren Informationen) durch, kombiniert mit einem Schreibgitter zu den ersten Schritten. Das Schreibgitter ist ein interessanter Ansatz, aber ich habe den Fehler gemacht, die Gruppenergebnisse an die Tafel schreiben zu lassen. Dadurch ist viel Leerlauf entstanden, nächstes Mal lasse ich das Gruppenergebnis auf Folie schreiben und veröffentliche das Klassengitter auf dem OHP.
- Im Q1-Kurs Italienisch sind wir bei Kapitel 8 von „In piazza“ angekommen d.h. das Rom-Kapitel steht auf dem Programm. In meiner Einführungsstunde habe ich dann auch einen Ausschnitt aus „Il pranzo di Ferragosto“ gezeigt: Gianni muss zu Ferragosto etwas Fisch und Wein besorgen, dafür düst er mit dem Moped durch die „città eterna“. Die Schüler sollten zu dem Filmausschnitt einfache Fragen auf dem Arbeitsblatt bearbeiten. So einfach war es dann aber doch nicht, die zweite Frage war für die Schüler nicht zu beantworten. Danach habe ich die kommunikative Methode „In piazza“ ausprobiert. Die Schüler sollten sich den Stadtplan zu Rom im Lehrbuch anschauen und dann kurz notieren, was sie gerne in Rom machen oder sehen würde. Nach der Vorbereitung ging es dann „In piazza“ und man durfte die jeweiligen Partner vollquatschen. Dafür habe ich noch ein Arbeitsblatt vorbereitet, welches Redehilfen für diese Aufgabe zur Verfügung stellte. Das Treffen der Schüler lief gut, auch wenn die Schüler etwas mundfaul waren, jedoch auch durchaus verständlich donnerstags um halb 9.
Generell frage ich mich, was die Schüler von meinen ganzen methodischen Experimenten denken. Wahrscheinlich liegt es irgendwo „Dieser bekloppte Referendar nervt!“ und „Wow, endlich mal etwas total Neues!“.