„Mein“ Italienisch-Raum befindet sich in der 4. Etage unseres Schulgebäudes. Dadurch verliere ich oftmals die ersten Minuten des Unterrichts, weil sich nach Ende der Pause die Massen im Treppenhaus tummeln und wirklich kein Durchkommen möglich ist. Natürlich konnte man jetzt einwenden, dass die Schüler dann schlichtweg eher aus der Pausenhalle weg müssen. Ja, stimmt, da war ich am Anfang inkonsequent und ich hätte intensiver darauf achten müssen. Ich reagiere jetzt anders: Die Türen der Räume der oberen Etagen lassen sich nicht von außen öffnen, also müssen die Schüler immer klopfen. Ein Mitschüler reagiert, steht auf und öffnet die Tür. Dieses Verhalten habe ich inzwischen untersagt und ich öffne selbst die Tür. Das ist unangenehm für die Schüler, ich habe mehr Kontrolle über den Raum, manchmal warte ich auch ein wenig bis zum Öffnen der Tür oder sage den verspäteten Schülern, dass ich gerade etwas erkläre und sie noch zwei Minuten draußen warten sollen. Das gibt mir auch Zeit, die Verspätungen zu notieren. Ich bin ein gemeiner Aas, rechtlich gesehen ist es vermutlich auch bedenklich.
Vor zwei Tagen war auch der letzte Schultag der Abiturienten. Ich hatte sieben Stunden und in jeder Stunde wurde lautstark an der Tür geklopft. Dann kamem irgendwann die Abiturienten herein, verteilten sich im Raum und … ja, machten eigentlich nichts. Bei einem Physik-Kollegen erklärten sie wenigstens bestimmte Probleme der Mechanik, ich hatte hingegen nur mehr Leute im Raum, die mich nach kurzer Orientierung anstarrten und auf einen Input hofften. Was macht man da? Ich habe jedenfalls den Typen gesagt, dass sie gerne mitmachen dürfen, aber das Angebot nahmen verständlicherweise nur wenige Absolventen in spe an und gingen wieder zurück zu ihrem eigens angemieteten Bierwagen.
In meinem Stammraum versuche ich auch manchmal, die Tischordnung vom Hörsaal in eine U-Form zu verändern. Das war bisher immer zum Scheitern verurteilt. Es reicht eine Doppelstunde bei einem Kollegen aus und schon haben die Schüler wieder den stuhlischen Normalzustand hergestellt. Oder ich penne am Anfang der Stunde und plötzlich stehen die Tische wieder wie zu Wilhelms Zeiten. Wollen die Schüler den konfrontativen Zustand oder sind sie nur Gewohnheitstiere, die ungern Platz und Partner wechseln wollen?
Im Lehrerzimmer ist es aber auch nicht anders, es gibt keine „Tisch-Springer“. Am Anfang meiner Anstellung habe ich nach einigen Tagen immer mal wieder den Tisch gewechselt, das wurde von einigen Kollegen vermutlich als Zeichen geistiger Konfusion gedeutet und mir wurde direkt empfohlen, meinen Stammplatz am „offenen Tisch“ zu beziehen. Das ist der einzige Rundtisch im Lehrerzimmer mit insgesamt acht Plätzen und „ohne Profil“ d.h. es gibt keine Bindung der Tischgruppenmitglieder durch ein bestimmtes Merkmal. In unserem Lehrerzimmer gibt es nämlich den Sportlehrer-Tisch, den Referendar-und-Praktikanten-Tisch, den Wir-waren-hier-schon-Referendare-Tisch, den Mittwoch-Zweites-Frühstück-Tisch und den Religionslehrer-Tisch. Ich würde gerne mal die Reaktion der Kollegen sehen, wenn wie in den Klassen zur Förderung der Sozialkompetenz die Stammplätze im Lehrerzimmer komplett durchgemischt werden würden.