Neustart

Jetzt bin ich in der rauen Realität nach dem Referendariat gelandet – neue Stadt, Vertretungsstelle in Teilzeit, Gesamtschule und der Welpenstatus ist wohl endgültig abgestrichen. Das ist aber kein Gequängel, ich lerne noch immer jeden Tag, das ist großartig!

Nach der Prüfung bin ich nicht in ein Loch gefallen und hatte doch ordentlich zu tun: Extrem viel Vertretung für die durch eine Kursfahrt gesprengten Italienischkurse und dazu eine Hospitation an einer Grundschule. Dort alles viel bunter und auch strukturierter. Ich beneide die Kollegen und insbesondere Kolleginnen dort um ihren Bürobereich im Klassenraum. Dann kann auch eine Lernumgebung kreativ gestaltet werden, wenn man nicht ständig zwischen den Räumen hetzen muss und die Stationen eines Lernzirkels in einer dunklen Ecke eines Kursraums verbunkern muss. Es ist übrigens auch schlichtweg wahr, dass in Lehrerzimmern an Grundschulen extrem viel selbstgemachter Kuchen angeboten wird. Am Gymnasium gab es vielleicht mal Billig-Pralinen oder abgestandener Beuteltee.

Am letzten offiziellen Tag der Ausbildung gab es auch noch eine große Feier des Seminars, so wie beim Abiturball. Das war ohne Zweifel eine anständige Zeche, hätte ich einigen Kollegen gar nicht so zugetraut. Eigentlich ist es schade, dass es kein Bergfest gibt – das würde gerade den Kontakt unter den Referendaren wahrscheinlich noch mehr auflockern. An unserer Stammschule wurde ein kleiner Brunch eingerichtet und Geschenke wurden ausgeteilt, hach, das war wirklich ein sehr melancholischer Moment, weil uns das Kollegium als dufte Truppe empfunden hat. Stellen für die Zeit danach gab es leider keine, der Schweinezyklus ist knallhart.

Seit dieser Woche bin ich auf der anderen Seite und darf eine Referendarin begleiten. Als Spaß wollte ich schon ein paar Mal die typischen Ausbildersprüche bringen:

  • „Wo ist denn da der Lernertrag?“
  • „Und wie lautet die Problemfrage?“
  • „Da hast du zu sehr gesteuert!“
  • „Für einen Unterrichtsbesuch ist das ein blödes Thema, mach lieber was Schüleraktivierendes!

Mehr Sprüche in den kommenden Wochen, versprochen!

Geschafft

Am letzten Freitag habe ich es endlich geschafft. Es war kein so grauenhafter Tag, wie ich es mir davor eigentlich ausmalte. Ein bisschen war es auch wie zur Fußball-WM 2006: Wochen davor nur trübes Wetter und dann auf einmal grandioser Sonnenschein und ein Schulvolk, das den lokalen Referendar mit vollem Eifer unterstützte. Grausam sind eher die letzten Tage vor dem Examen, wenn die Lehrziele auf einmal läppisch erscheinen und der Unterrichtsgang plötzlich jeglicher Logik entbehrt.

Aber selbst die Pleiten und Pannen des Tages (wie die wüsten Zwischenergebnisse der Schüler bei der Philosophie-Stunde) konnten weder mich aus der Reihe bringen noch die Prüfer zu einem brutalen Urteil bewegen. Die Italienisch-Einheit lief traumhaft und war wohl der Grund dafür, dass man in mir doch einen fähigen Lehrer sah. Das Kolloquium war wiederum pures Harakiri und ich kämpfte mich wacker durch die Mehrfach-Fragen-Serien des Fachleiters für Philosophie: „Können Sie den Begriff ‚Wert‘ erläutern? Also im Vergleich mit Tugenden! Und vielleicht auch die Bedeutung für den Unterricht heute…“ Wer wäre danach nicht völlig durch den Wind?

Gerade in solchen Prüfungsetappen zeigte sich an unserer Schule eine tolle Verbundenheit: Ältere Kollegen klopften mit den Referendaren die Examensstunden ab und richteten auch manches Mal moralisch auf, Schüler stemmten die abstrusesten Arbeitsaufträge und nach dem Examen wurde im Lehrerzimmer dann auch mal gemeinsam ein Bierchen geköpft.

Countdown

Noch genau ein Monat, dann ist der mit Prüfungen verbundene Teil des Referendariats beendet. Derzeit bastele ich meine Reihen und Stunden für die Unterrichtspraktische Prüfung (kurz: UPP), für das Prüfungsgespräch habe ich bisher eher oberflächlich gelernt. Es ist zunächst wohl auch wichtiger, sinnige Stunden auf die Platte zu bringen als sich in der Theorie zu ergeben. Wenn es zu schlecht in den Stunden läuft, ist das Kolloquium ja sowieso hinfällig…

Die Themen und Inhalte der Unterrichtsreihen gefallen mir eigentlich auch, ein hoffentlich vernünftiger Mix aus traditionellen Inhalten und didaktischen Schmankerln. Die Angst bleibt natürlich, dass meine Gedanken schlussendlich furchtbaren Schwachsinn darstellen und ich am Prüfungstag komplett baden gehe. Endspielatmosphäre eben! Durch die sehr erfreuliche Vorbenotung ist jedoch der Druck nicht so groß wie bei anderen Kandidaten, die schon jetzt um eventuelle Planstellen bangen. Ich versuche das entspannt zu sehen, „von Spiel zu Spiel denken“ würde man diese Einstellung beim Fußball wohl bezeichnen.

Ein bißchen Leid tun mir – wie schon bei den Unterrichtsbesuchen – die Schüler meiner Examensklassen, wenn da plötzlich für zwei Unterrichtsstunden (ja, es ist wirklich nur Unterricht!) der Stundenplan komplett umgebaut wird, auf 100-%-ige Hausaufgabenerfüllung gedrängt wird, drei Extra-Stühle mit Schul-VIPs eingerichtet werden und ja auf unsinnige Kommentare verzichtet werden soll.

Lecker Examen

Beim letzten Artikel ging es ja vorrangig um das leibliche Wohl, ein Gesichtspunkt, der in der Schule immer wieder zum Schmunzeln anregen kann. So gibt es bei uns beneidenswert freche Kollegen, die die Tischgruppen im Lehrerzimmer systematisch nach Süßigkeiten abgrasen. Die gibt es in jeglicher Qualitätsstufe, von Edel-Tiramisus bis hin zu Discounter-Gummifröschen. Beim Wildern wird dann übrigens auch vor dem Referendarstisch kein Halt eingelegt.

Andererseits nehmen viele Referendare zu Unterrichtsbesuchen gerne einen Rotkäppchen-Korb mit, gefüllt mit Aldi-Kekstüten, grau-biederen Thermokannen und  kunterbunten Tassen für den netten Plausch mit dem Seminarleiter. Abgesehen vom sozio-ökonomischen Zweifel (ein Referendar verdient wohl zumindest weniger als die Hälfte eines Seminarleiters) scheint das der Dienstherr auch nicht zu begrüßen: Für den Abschlußtag ist es jedenfalls strikt untersagt, sich an der Bewirtung der Prüfer zu beteiligen, sprich man soll keine Brötchen am Vortag schmieren. Um dies (warum auch immer…) zu umschiffen gibt es jedoch eine Tradition unter Referendaren: Der Mitreferendar, der keine Prüfung absolviert, schmiert für den Prüfling, manus manum ungit (?). Nun überlege ich, mit was ich meine Leute beauftrage, von Parmigiana di melanzane bis hin zum Mettigel ziehe ich derzeit noch alles in Betracht.